Tatort: Bochum-Wattenscheid
Bochum-Wattenscheid, Dienstag, 8 Uhr 32
Vor einem Mehrfamilienhaus am August-Bebel-Platz in Wattenscheid fährt der Chemiker Luzius Weigand, 33, mit seinem bordeauxfarbenen VW Passat rückwärts aus seiner Garage. Gleich darauf rollt der Wagen über eine vor der Ausfahrt ausgelegte Nagelkette. Lautes Zischen. Weigand hält an. In diesem Moment stürzen drei Männer mit Strumpfmasken auf das Auto zu, reißen die Fahrertür auf, zerren Weigand heraus und stoßen ihn in einen seit drei Tagen als gestohlen gemeldeten Renault Kangoo mit Duisburger Kennzeichen. Der Vorfall wird von zwei Anwohnern beobachtet, von denen einer mittels Handy sofort die Polizei verständigt, die keine fünf Minuten später mit einem Streifenwagen vor Ort ist.
Wattenscheid - Wohnung Weigand, Dienstag, 9 Uhr 43
»Ich war nur kurz einkaufen. Brot, Butter …" Irmgard Weigand, 32, steht unter Schock. Sie ist eine blutjunge Rothaarige mit süßen Sommersprossen, wie Hauptkommissar Plönzke von der Kriminalwache der Bochumer Polizei findet. Er hält ihre Hand. Sie ist eiskalt.
»Hat Ihr Mann Feinde? Wurde er bedroht? Ist Ihnen in letzter Zeit etwas Verdächtiges aufgefallen?«
Das sind zu viele Fragen für Frau Weigand, die im Moment schon sichtlich damit überfordert ist, in der richtigen Reihenfolge ein- und auszuatmen.
»Kopf zwischen die Beine«, rät Kommissarin Jutta Eberfeld, die in diesem Moment das Wohnzimmer der Weigands betritt, nachdem sie sich zuvor ein wenig umgesehen hat. Eine schöne, aber übersichtliche Drei-Zimmer-Wohnung in mittlerer Ausstattung, allerdings mit Terrasse und gemauertem Grill. Die Einrichtung zu gleichen Teilen von IKEA und vom Flohmarkt. So wohnen Menschen, die eben ihr Studium abgeschlossen haben, aber noch nicht genug Geld verdienen konnten, um sich etwas Besseres zu leisten.
»Mein Mann hat keine Feinde.« Frau Weigands Stimme tönt nasal zwischen ihren Knien hervor. »Aber gestern Abend hat er zu mir gesagt, er habe den Durchbruch geschafft. Ich wette, die Konkurrenz hat ihn entführt, um an seine Forschungsergebnisse zu kommen!«
weiter in: Hängen im Schacht
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Die Autorin:
Tatjana Kruse, Jahrgang 1960, ist in Schwäbisch Hall aufgewachsen, wo sie heute, nach einigen Jahren in Stuttgart, wieder lebt. Seit 1995 veröffentlicht sie Kriminalromane und Sachbücher und arbeitet als Literaturübersetzerin. Zuletzt erschienen von ihr die Krimis »Nur ein toter Maler ist ein guter Maler« und »Kreuzstich, Bienenstich, Herzstich«
Geschlossen
vor 11 Jahren
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