Mittwoch, 9. September 2009

Niklaus Schmid:
Entenfang

Tatort: Duisburg-Wedau

Kunst, Kultur - wenn mir jemand damit kommt, lege ich sofort auf. Eigentlich. Doch diesmal, ich war knapp bei Kasse, hatte ich es nicht getan. Und deshalb stand ich jetzt im Schatten der Sparkasse an der Landgerichtsstraße und beobachtete den Eingang des alten Backsteingebäudes auf der anderen Straßenseite.
Langsam wurde ich nervös.
Bestimmt hatten mich schon die Überwachungskameras der Duisburger Haftanstalt und auch die der Sparkasse erfasst. Als ich mich anschickte, meinen Posten zu verlassen, öffnete sich die Tür neben dem großen Stahltor vor der Gefängnisschleuse.
Ein Mann trat ins Sonnenlicht, blinzelte, straffte die Schultern und nickte zufrieden.
Er war es.
»Max Rogalla«, hatte Wegener von der »Prosegura Assekuranz« gesagt und mir ein Foto gegeben. »Seine Strafe hat er in Werl abgebrummt, wird morgen aber aus der Duisburger JVA entlassen.«
»Wieso Duisburg?«
»Da war noch ein Fall anhängig. Doch jetzt wird er auf Bewährung entlassen.«
»Und warum hat er gesessen?«
»Kunstdiebstahl. Fünf Jahre.«
»Ziemlich lang.«
»Kunstdiebstahl mit Todesfolge. Als er mit dem Bild unterm Arm die Stauffer-Villa verlassen wollte, stand ihm ein Wachmann im Weg. Rogalla hat ihm mit demselben Messer, mit dem er zuvor die Leinwand aus dem Rahmen geschnitten hatte, die Halsschlagader aufgeschlitzt. Der Verteidiger hat auf fahrlässige Tötung plädiert und ist damit durchgekommen, sonst hätte Rogalla sicher noch ein paar Jährchen länger sitzen müssen. Angeblich hat er das Bild bei der Flucht verloren. Doch wir sind sicher, dass er den Kirchner versteckt hat.«
»Den Kirchner?«
»Ernst Ludwig Kirchner, Künstlervereinigung Die Brücke. Das gestohlene Bild war bei uns mit knapp einer halben Million versichert.«

weiter in: Hängen im Schacht

weitere Krimis aus Duisburg:
Klaus Stickelbroeck: »Grüne Augen«
Hartmut Mechtel: »Dienstbesprechung«

Der Autor:
Niklaus Schmid, geboren 1942 in Duisburg, tourte mit achtzehn mit dem Zirkus Althoff durch Frankreich und Schweden, mit dreißig reiste er durch Indien, Afrika und Südamerika. Seit 1978 lebt er als freier Schriftsteller in Duisburg und auf Formentera. Zuletzt erschienen von Niklaus Schmid die Elmar-Mogge-Krimis »Der Hundeknochen«, »Bienenfresser« und »Stelzvogel und Salzleiche«.

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