Donnerstag, 10. September 2009

Jacques Berndorf:
Kowalski

Tatort: Dortmund

Dortmund hat so seine Eigenheiten! pflegte Bruno Kowalski zu sagen, erläuterte aber nie, was genau er damit meinte. Egal, es machte immer Eindruck, und immer setzte er dabei eine unergründliche Miene auf. Eine Eigenheit Dortmunds war etwa, dass Marlene hier lebte, und dass sie ihm untreu war. Das gefiel Kowalksi gar nicht, und er bemühte sich um einen geeigneten Plan, sie zu bestrafen. Denn bestraft werden musste sie, das war unausweichlich, das war er sich selbst schuldig.
Die Frage war, wie das laufen konnte. Wo war ein Ansatz? Was war wichtig bei so einer Planung? Und wie weit sollte das gehen? Nach genauem und gründlichem Durchdenken dieser Fragen, entschied er sich dafür, nicht Marlene selbst zu bestrafen, sondern vielmehr den, mit dem sie ihm diese Hörner aufgesetzt hatte. Also gewissermaßen indirekt, härter, mit einer Zangenbewegung, die das Übel an der Wurzel packte.
Kowalski war achtundzwanzig Jahre alt. Er war von Beruf Soldat der Bundeswehr mit Spezialisierung auf das Fahren und Bedienen von Räumpanzern und ähnlichem schwerem und schwerstem Gerät. Es hieß bei der Truppe, Kowalski sei dazu in der Lage, mit dem Kranausleger seines zwölfachsigen Bergepanzers eine einzelne Zigarette vom Asphalt zu bergen, ohne sie zu beschädigen.
Schon einige Male hatten seine Kameraden und Vorgesetzten ihm vorgeschlagen, sich doch einmal mit seinem Bergepanzer für die Mitwirkung bei Deutschlands beliebtester Fernsehshow zu bewerben, aber Bruno hatte das stets mit den Worten »Wer will denn das schon sehen?« abgelehnt.
Kowalski war einen Meter fünfundneunzig groß, breit wie Omas Küchenschrank, und er konnte seinen leitenden Offizier mühelos mit einem Arm an einen Garderobenständer hängen. Er war freundlich, er war hilfsbereit, er mochte Kinder über alle Maßen, er half alten Damen über die Straße, er liebte Stiefmütterchen und vor allem Männertreu. Und er war, das darf nicht verschwiegen werden, geradezu unglaublich schüchtern.
Marlene Grube war eine Grundschullehrerin, hellauf begeistert von Kindern, sechsundzwanzig Jahre alt, frisch zur deutschen Beamtin ernannt, einssiebzig groß, von schlanker Figur mit einem geradezu betörenden Gesicht unter langen, schwarzen Haaren. Zudem war sie eine mit großem Talent ausgestattete Jazzsängerin, die schon erlebt hatte, dass die Schüler sie mit einem begeisterten Wow! bewunderten und beim Schulfest nach ihrer eigenwilligen Version von »Stand by me« beinahe die Turnhalle demoliert hätten.
Also - diese beiden wunderbaren Menschen sollten nicht für einander bestimmt sein? Kein Doppelbett für Bruno und Marlene?

weiter in: Hängen im Schacht

Der Autor:
Jacques Berndorf, geboren 1936, wohnt mitten in der Vulkaneifel. Als Journalist hat er früher die Krisenherde der Welt bereist und später als Autor spannender Kriminalromane in der Eifel seine Heimat gefunden. Seine Romane um den Ermittler Siggi Baumeister haben mittlerweile eine Gesamtauflage von drei Millionen erreicht

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